7.5. 2023; Victoria
Nachdem wir also kuerzlich Forellen bis 17 Pfund gefangen haben, wollte ich doch mal wissen ob Lachse auch noch so gross werden koennen! 😊 Solangsam trudeln hier die grossen Chinooks ein aber bis zum 1.5. hatte das kaum einer gemerkt, weil nicht viele Angler nur fuer Catch & Release auf Lachs gehen. Die letzten paar Jahre war die Entnahme von Chinooks hier im Sueden von BC im Fruehjahr und Fruehsommer verboten um einige bedrohte Chinookpopulationen im Fraser River zu schuetzen. Seit dem haben die Anglerverbaende Antraege ans Ministerium geschickt, man sollte doch wenigstens einen markierten Chinook behalten duerfen da die bedrohten Lachsstaemme auf keinen Fall markiert waeren. Taube Ohren, die letzten beiden Jahre, aber auf einmal vor einer Woche kam eine Ansage aus Ottawa, diesen Mai, und wir hoffen auch darueber hinaus, darf man vor Victoria nun einen markierten Chinook pro Tag und Angler behalten. Na also, doch noch ein Funken Verstand bei einigen Entscheidungstraegern. Es liegen jahrelange Datensets als Beweis vor, dass im Winter und Fruehjahr die meisten der um die Suedinsel ziehenden Chinooks aus Brutstationen in Washington State, USA, stammen. Also eine Marked Selective Fishery hat demzufolge absolut minimalen Einfluss auf die bedrohten Staemme.
Gestern sahen Wind und Wetter gut aus und Ricardo hatte auch Lust. Er fragt ob er seinen Studienfreund Kelab mitbringen koennte, der wollte gerne mal sehen wie das Lachsangeln so funktioniert denn als in Alberta Aufgewachsener hatte er davon keine Ahnung. Auch ingesamt hatte er fast null anglerische Erfahrung, wie er mir bald beichtete. Also, solch unbedarfte Anfaenger vom Angelvirus anzustecken ist immer noch mein Lieblingshobby! Wir machten einen ziemlich spaeten Start und waren erst gegen 10:00 Uhr an der Bootsrampe vor Victoria. Ich hatte mir die Stroemungskarten angesehen und befunden, dass wenn was geht dann wohl eher auf den Oak Bay Flats wo sich bei den heutigen Extremgezeiten Rueckstroemungen bildeten und sicher Futterfische anziehen wuerde. Daher liess ich die marina-nahen Stellen links liegen und fuhr uns die 20 Minuten zu den Flats. Es war auch gut meinen Motor mal wieder ordentlich auf Temperatur zu bringen. Lange genug hatte das Boot schon gestanden!
Wer meine Berichte hier schon jahrelang verfolgt, dem wird Oak Bay Flats ein Begriff sein. Praktisch an Downtown Victoria Waterfront vorbei, vorbei an den Reichenvierteln und betuchten Meeresfront Golfplaetzen vom Victoria Stadtteil Oak Bay, oeffnet sich eine felsenbegrenzte Bucht mit eingestreuten Felsinseln im Suedosten von Victoria. Leider gibt es dort keine oeffentliche Slipanlage, sonst koennte man sich die mehrere km lange Anfahrt sparen. Am Ausgang der Felsenbucht war dann eine weitgestreckte Flaeche mit langsam abfallenden Meeresgrund, der dort hauptsaechlich sandig-kiesig war. In 30 bis 60m Wassertiefe zogen dort gerne hungrige Lachsgruppen umher um die haeufigen Sandaalschwaerme zu begrasen. Auch Heilbutte konnte man dort haeufiger fangen – vorallem am Uebergang vom Sand zum Felsen. Aber wir hatten es heute erstmal nur auf Lachs abgesehen.
Kelab beobachtete neugierig wie Ricardo und ich das Geraet und Boot zum Trolling fertigmachten. Ricardo erklaerte auch die wesentlichen Handgriffe und was auf ihn zukam wenn ein Biss kam. Dann warteten wir alle gespannt. Es war jetzt Tiefpunkt der Ebbe und damit bald Stroemungsstillstand – immer eine potenzielle Beiszeit. Danach wuerde eine harte Flut einsetzen; aber hier im ufernahen Gebiet der Flats eine befischbare Kehrstroemung erzeugen. Das schoene, sonnige Wetter, der schwache Wind und natuerlich die Chinook-Entnahmegenehmigung hatte einige Boote herausgelockt. Die erste Strecke von West nach Ost brachte keine Aktion. Als ich ziemlich scharf wendete schien die eine Rute loszuruckeln; aber als Kelab einkurbelte, war nichts mehr dran. Kann auch Grundkontakt gewesen sein. Wir beobachteten dann ein offenes Aluboot deren Insassen ploetzlich in Aktion kamen und einen scheinbar guten Lachs drillten. Leider kescherten sie den Fisch nach etwa 10 Minuten auf der abgewandten Bootseite so das wir die Groesse nicht zu sehen bekamen. Aber das war schon mal ein gutes Zeichen.
Dann ruckte ploetzlich die Steuerbordrute los. Ricardo rief Kelab zu er sollte sich die Rute schnappen – aber der war fuer einen Moment wie geschockt und hatte alles was Ricardo ihm gezeigt hatte, vergessen. Ich rief Ricardo auf die Rute selber zu nehmen, anzuschlagen und dann, wenn ein Fisch dran war, Kelab zu geben. Das hatte aber alles viel zu lange gedauert und der Fisch war laengst weg. So, genug des Trockentrainings, meinte ich, jetzt gilt’s!
Bei einer Linkskurve wackelte dann die Backbordrute los. Diesmal ging es wie geschmiert; Ricardo sprang hin, riss die Rute aus dem Halter, schlug an und brachte die Rute aus dem Downriggerclip, zog stramm, fuehlte – Fisch noch dran und drueckte die Rute dann Kelab in die Hand. Der legte sich ins Zeug und ich warnte ihn nochmals, die Rute musste unter Spannung bleiben. “Nur wenn der Fisch gross genug ist und hart genug zieht um die Schnur zu sprengen, dann lass’ die Rollenkurbel einfach los”, trichterte ich ihm nochmal ein. Und er machte Druck und gab dem Fisch keinen Millimeter. Ricardo schaetzte auf kleineren Keeper – um die 5 Pfund. Naja, das waere doch ein Anfang. Bald sahen wir es silbrig in der Sonne blitzen – jawoll, den konnte man schon mitnehmen! Ricardo war mit dem Kescher bereit und Kelab schlidderte den Fisch kompromisslos hinein. Feine Sache, gut gemacht Jungs! Wir klatschten uns alle ab und Kelab bewunderte seinen Fang. Ob er ueber 10 Pfund schwer waere, fragte er. Wir schmunzelten; “eher 5 Pfund”, meinte ich. “Waass? Wie kaempft dann ein Grosser!?”, fragte er. Wir werden es hoffentlich heute noch erleben, meinte ich.
Die Linkskurve, die uns den Biss gebracht hatte, hatte uns auch in etwas flacheres Wasser gezogen. Vielleicht war das der Trick? So schleppte ich uns nun in eher 30-40m tiefes Wasser, statt 40-50m wie zuvor. An beiden Ruten liefen schlanke Blinker in Grundnaehe. Die Jungs quatschten gerade als ich eine Futterfischwolke am Echo in Grundnaehe sah. Die war richtig gross und ich konnte mir nicht vorstellen, dass hungrige Lachse diese uebersehen konnten. Ich zeigte Kelab das Bild am Echo und meinte noch, ich koenne gar nicht glauben, dass es noch nicht gebissen hat. Im selben Moment ruckte die Steuerbordrute an, loeste schon aus und fing sich an zu verneigen. Ricardo sprang hin und hieb an. Der Haken musste in etwas Schweres einsinken denn die Rute blieb schwer krumm. Ricardo forderte Kelab auf die Rute zu nehmen und Druck zu machen. Ich beobachtete ihn ein paar Sekunden um festzustellen, ob ich ihm helfen sollte die Rollenbremse etwas lockerer zu stellen. Aber bis jetzt machte sein Gegner keine Anstalten zu einer Flucht obwohl Kelab schon schwer anzog. Ich dachte aber besser etwas haerter drillen als Druck zu verlieren. Koennte natuerlich sein, dass der Haken ausriss bei zu viel Druck, besonders wenn er nur knapp in der Haut hing. Aber ich war gewillt das zu riskieren. Ich sah eine schlappe Schnur als groesseres Risiko.
Waehrend ich das alles so in Gedanken durchspielte und Ricardo Kelab Instruktionen gab und ihn anfeuerte, loeste ploetzlich auch die zweite Rute aus und wippte wild los. Ich rief Ricardo zu und er schnappte sich verbluefft die zweite Rute. “Auch ein guter Fisch!”, meinte er. Jetzt konnte ein wilder Tanz losgehen! Ich machte sicher, dass wir keine anderen Boote in der Naehe hatten und schraubte dann die Drehzahl zurueck. Die Jungs sprangen hin und her weil ihre Lachse immer entgegengesetzt hin und her schwammen. Ricardo’s nahm richtig Schnur, weil er auch nicht so hart drillte. Kelab kurbelte stur seinen Fisch Stueck fuer Stueck ans Boot. Ich dachte wieder so an ein 6-vielleicht 7 Pfuender. Als dann ein silberner Schatten hinter dem Boot in der Tiefe auftauchte, erschrak ich. Der war richtig gross! Mein Gott, wie hatte Kelab den einfach so hier rankurbeln koennen? Schnell fummelte ich dazwischen und seine Rollenbremse etwas locker. Ich warnte ihn, der Fisch wuerde jetzt gleich am Boot verrueckt spielen. Keine 3 Sekunden spaeter drehte der Lachs ploetzlich ab und riss Kelab fast dir Rute aus der Hand. “Finger weg von der Kurbel!”, rief ich und Kelab liess los und der Fisch tobte in die Tiefe und riss locker 50m Schnur ab. “Warte, warte….noch nicht…”, jetzt wurde die Rute etwas schlapper und ich rief: “Jetzt wieder kurbeln!” und Kelab gewann ein paar Meter zurueck bis der Fisch wieder drehte. Jetzt hatte er das Spiel raus und verstand wann er und wann der Fisch dran war. Ein wildes Hin und Her begann.
Inzwischen hatte auch Ricardo seinen Fisch in Bootsnaehe und wir konnten auch den gut sehen. Auch so ein Brocken von weit ueber 10 Pfund! Wow! Leider vermeldete Ricardo kurze Zeit spaeter – “weg, Haken ausgespuckt!”. Schade, aber noch hatten wir einen am Band. Kelab machte das klasse und brauchte im Prinzip keine Hilfe mehr. Aber der Fisch war noch lange nicht fertig. Einmal kam er an die Oberflaeche und halb sprang und halb waelzte sich. Uns blieb der Atem weg – aber war noch dran. Ich stand schon zweimal mit dem Kescher am Heck aber der Fisch war noch zu tief und zu munter. Kelab rannte paar Mal von einer Seite zur anderen und musste aufpassen, dass die Schnur nicht im Motor haengenblieb wenn der Fisch dicht unter oder hinter dem Boot langsprintete. Dann hing der Fisch eine Weile kurz unter der Oberflaeche ca. 10m hinter dem Boot – ein Winkel bei dem der Flasher immer gerade eintauchte oder wieder aus dem Wasser herauskam – mit dem einhergehenden Ruck der einem jedes Mal das Herz stehen bleiben liess. Ich rechnete eigentlich jede Sekunde mit dem Verlust des Fisches. Es passiert nicht oft, dass ein absolutes Greenhorn einen grossen Chinook das erste Mal landete. Und dann noch so einen sportlichen. Der Haken musste gut sitzen denn Kelab machte immensen Druck auf die Schnur. Jetzt kam der Fisch mal wieder ruhig Richtung Boot und ich hiess Kelab zuruecktreten und voll Druck zu machen um ihn an die Oberflaeche zu zwingen. Ich hatte den Kescher-Telestiel lang gemacht und langte nun entschlossen zu und schaffte es den Burschen einzusacken.
Ein dreistimmiger Jubel hallte von unserem Boot. Ich brachte den Lachs an Bord und Kelab fiel die Kinnlade runter. Ein praechtiger Lachs fuer diese Jahreszeit. Und wie schon vorher erspaeht, auch markiert, also zur Entnahme frei. Strahlend und staunend half Kelab mit den Fisch zu versorgen. Ein paar Fotos mussten auch gleich her solange das Adrenalin noch vorhielt. Aber da wir den zweiten verloren hatten, war noch eine Angellizenz frei und wir wollten die Gunst der Stunde nutzen und noch den dritten erlegen. Ich suchte wieder den Futterschwarm und als ich ihn gefunden hatte, starrten wir alle gespannt auf die Rutenspitzen. Irgendwas passierte an der Steuerbordrute und Ricardo und Kelab waren fuer eine Sekunde abgelenkt, da sah ich die Backbordrute zurueckschnappen – ich sprang ohne Erklaerung hin, kurbelte auf Spannung und hieb an. Fish on! Es fuehlte sich erst fast an wie ein Haenger aber ich konnte Leben am anderen Ende spueren. Heilbutt? Das waere ja toll! Und wirklich war es erst einmal sauschwer. Ricardo holte schon die andere Rute rein um uns auf die ultimative Schlacht vorzubereiten, da loeste sich etwas und jetzt kam mein Fisch leichter hoch. Komisch, vielleicht hatte sich die Schnur an Steinen oder Kraut festgehaengt?
Es war aber trotzdem ein feister Fisch und ich liess zwei oder dreimal kurz die Rolle aufheulen. Musik in den Ohren! Als der Fisch oben war, sah ich das der Haken gut sass und machte nicht mehr viel Federlesen und zog den Fisch gnadenlos ueber das Keschernetz. Gewonnen! Und wieder ein Markierter! Damit hatten wir unser Lachslimit; in 3 verschiedenen Gewichtsklassen: 5, 8 und 16+ Pfund. Ein erfolgreicher Tag. Wir beschlossen noch 20 Minuten weiterzuschleppen waehrend ich 2 Pilkruten fertig machte. Wir konnten in der verbleibenden Zeit den Futterschwarm nicht mehr finden und hatten auch keinen Biss mehr.
So wollten wir noch ein oder zwei Driften auf Grundfisch wie Heilbutt oder Lincod probieren. Da die Flut schon richtig zog, war das nur relativ dicht vor den Inselchen moeglich wo die Stroemung noch etwas ruhiger war. Die Jungs hatten beide eine Rute mit einem grossen Gulp-Twister am Jigkopf. Ueber dem sandigen Boden geschleift, sollte das die Butte wachmachen. Ricardo hatte auch ein paar Nibbler – aber wahrscheinlich nur kleinere Schollen, fuer die der grosse Koeder zu viel war. Als nichts weiter passierte, fuhr ich uns ins etwas tiefere Wasser in 45m Tiefe. Die Stroemung war hier schon bei 5 km/h. Ich konnte mir nicht vorstellen, das die beiden auch nur den Grund erreichen wuerden. Doch ploetzlich hingen beide fest. Und beide rissen auch bald ab. Das beendete dann auch schnell diesen hoffnungslosen Versuch heute zu pilken. Es war auch schon nach 14:00 Uhr und wir hatten noch zu filetieren und Robben am Schlachttisch zu fuettern.
Kelab war begeistert und bedankte sich aufrichtig fuer das tolle Erlebnis. Er nahm den mittleren Lachs mit nach Hause nachdem er versicherte, dass er den Grossen niemals alleine verwerten koennte – seine Freundin weilte gerade im Ausland. Er wuerde aber gerne mal wieder mitkommen und fragt Ricardo auch noch wie viel eine Anfaengerangelausruestung kosten wuerde. Wieder einen bekehrt, Mission accomplished! Und Danke an die US Brutstationen fuer die Fuelle an markierten Chinooks vor unserer Haustuer hier!